The Sandy Denny Project

Hommage an die große englische Sängerin, Kulturhaus, Lüdenscheid, 7.12.2024

13. Dezember 2024

Lesezeit: 3 Minute(n)

Nein, sie sind keine Coverband. Die sechs Mitglieder des Sandy Denny Project (SDP) sind alle auch in anderen Formationen tätig und haben sich zusammengefunden, um die Lieder der legendären, früh verstorbenen englischen Folksängerin neu zu interpretieren. Aber das tun sie so gut, dass das Lüdenscheider Publikum beim exklusiven und ersten Deutschlandauftritt des Sextetts vollends überzeugt war. Man musste die Lieder nicht vorher gekannt haben, um sie zu genießen.

Text: Almut Kückelhaus

Vor der Musik stellte sich aber eine andere Frage. Wie gestaltet man ein Konzert, dessen Haupt-Organisator am Vortag beerdigt worden ist? Wohl alle Anwesenden hatten von Markus Scheidtweilers plötzlichem Tod erfahren. Seine Tochter Mia wurde mit besonders warmem Applaus empfangen, als sie die Begrüßung übernahm. Sie stellte klar, dass sie – in die Durchführung der Folkpack-Konzerte von Kindheit an hineingewachsen – die Reihe fortsetzen will. Anschließend fand Bürgermeister Sebastian Wagemeyer wiederum die richtigen Worte, um Markus Scheidtweiler zu würdigen. Er erinnerte an dessen Gabe, Menschen zusammenzubringen. „Musik kann Menschen verändern. Dann kann sie auch die Welt verändern.“

Abschied von Markus Scheidtweiler

 

Das Sandy Denny Project begann mit dem wunderschönen „The Banks Of The Nile“ aus der Zeit der napoleonischen Kriege und konnte gleich seine große Stärke ausspielen: den bis zu fünfstimmigen Gesang. Die Leadvocals teilten sich überwiegend Sally Barker und Marion Fleetwood, welche auch mit ihren Geigensoli überzeugte. PJ Wright steuerte nicht nur seine markante (Slide-)Gitarre, sondern auch eine effektvolle Mundharmonika bei. „Come All Ye“ war beinahe tanzbar, aber es ging nicht darum, Stimmung zu machen. Die Instrumentierung soll bei dieser Spielart des Folkrock vor allem einen starken Rahmen für die Melodien und Texte schaffen, was bestens gelang. Gesanglich war auch „The Quiet Joys Of Brotherhood“ mit seinen engen Harmonien unter meinen Favoriten. Der Sound kam den klassischen Aufnahmen aus den Siebzigern ziemlich nah.

Zwischen den Stücken erfuhr das Publikum manches aus dem Leben von Sandy Denny, die 1978 im Alter von nur 31 Jahren nach einem tragischen Sturz verstarb und den englischen Folkrock entscheidend mitgeprägt hat. Bekannt wurde sie als Mitglied von Fairport Convention, gründete nach ihrem Ausstieg dort ihre kurzlebige Band Fotheringay und veröffentlichte anschließend mehrere Soloalben, die ihr großes Talent als Songwriterin zeigten. Offenbar ist ihre Reputation in den letzten Jahren eher noch gewachsen (siehe auch den Beitrag zu den Sandy-Denny-Interpretationen von Carla Fuchs).

 

Was bestens zur Situation passte: Sandy Dennys Lieder drücken vielfach Trauer aus. Sie bedienen sich melodischer Muster aus den traditionellen Balladen, welche die junge Frau aus Wimbledon so gut beherrschte. Ihre unvergleichliche Stimme voller Melancholie, aber auch Kraft, ist bestens geeignet, einen durch schwierige Zeiten zu tragen. Man kann diesen Gesang eigentlich nicht kopieren, sondern nur ihre Lieder nachempfinden.

Was mich an diesem Abend überzeugte, war neben den geschickt aufbauenden Arrangements vor allem die Stimme und die Ausstrahlung Sally Barkers. Seit Jahrzehnten selbst eine renommierte Songwriterin, hat sie es nicht umsonst ins Finale der britischen Variante des TV-Formats The Voice geschafft. Gemma Shirley am Keyboard und Mat Davies am Bass trugen zu einem runden Gesamtsound bei. Mark Stevens am Schlagzeug setzte rhythmische Akzente, gab aber seinen Vorderleuten viel Raum. Starke Momente gab es vor allem an den nur akustisch gestalteten Stellen, aber auch bei den neuen Interpretationen. Bei „For Nobody To Hear“ erlaubte sich das SDP die Freiheit, auch mal Bluesrock à la Bonnie Raitt einfließen zu lassen. „The Lady“ nahm dagegen die Affinität der Urheberin zum Jazz auf. „Matty Groves“, die blutige Ballade um Liebe, Eifersucht und Mord, erhielt stimmlich und instrumental reichlich Drama.

 

Das ausgewählte Material entsprach im Wesentlichen dem zweiten Album der Formation. Man merkte live aber, dass die Mitglieder keine Dauerband bilden, und die zahlreichen Instrumentenwechsel bremsten den Fluss der Musik etwas. Dafür war das Konzert mit weit über zwei Stunden außergewöhnlich lang. Vor allem die Klassiker in der zweiten Hälfte waren geeignet, Gänsehaut zu erzeugen: „Fotheringay“, das kraftvolle „John The Gun“ oder zum Schluss das unsterbliche „Who Knows Where The Time Goes“. Wer das SDP noch einmal live erleben möchte, muss dafür nach Byfield in England reisen: Am 3. Mai spielt die Band am letzten Wohnort Sandy Dennys ein jährliches Gedenkkonzert.

Zwei Zugaben und Beifall im Stehen beendeten den Auftritt, der sich würdig in die 25-jährige Folkpack-Geschichte einfügte. Und es geht weiter: Am 15. März 2025 des kommenden Jahres sind Helene Blum und die Harald Haugaard Band aus Dänemark wieder im Lüdenscheider Kulturhaus zu Gast.

www.thesandydennyproject.co.uk

Sandy Denny Project

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